Der Glaube der Einzelhändler, dass ein gebrochener Preis zu einem überpropotionalen Absatzschub gegenüber glatten Preisen führt, ist weit verbreitet. Warum das jedoch so ist und ob diese Regel immer gültig ist, weiß keiner so genau. Forschung gibt es kaum und der Einzelhandel stützt sich auf Anekdoten aus der Vergangenheit. In dieser Arbeit wird herausgestellt, dass ein gebrochener Preis, speziell Preise die auf eine 9 oder eine doppel-9 enden, oftmals tatsächlich zu einem überpropotionalen Absatz führen. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass dieses nicht für alle Produkte und nicht für alle Konsumenten gilt. In dieser Diplomarbeit wird dargestellt, wie es zum Preisschwelleneffekt kommt und wann die sogenannten Schwellenpreise am besten zu verwenden sind und wann diese besser vermieden werden.

(1) Gebrochene Preise

Preise, die sich kurz unterhalb eines geraden Preises bewegen, wie beispielsweise € 2,98, werden in der Regel als gebrochene Preise bezeichnet. Ein auf eine 9 endender Preis wird auch als 9er Preis oder 9-ending Preis bezeichnet. Der korrespondierende volle Betrag, wie zum Beispiel € 20,00, wird als runder Preis oder gerader Preis bezeichnet.

Wenn ein Verbraucher heute in ein Ladengeschäft wie einen Supermarkt geht, um für den täglichen Bedarf einzukaufen, wird er mit einer bestimmten Preisauszeichnungspraxis konfrontiert, welche der Verbraucher eventuell gar nicht mehr bewusst wahrnimmt, da es seit mehr als 100 Jahren gängige Praxis ist.[1] Die Rede ist hier von einer Preisauszeichnungspraxis, welche sich in der Regel kurz unterhalb eines glatten Preises bewegt.[2] Ein bestimmtes Gut für € 0,95 oder € 0,99 statt für € 1,00 beziehungsweise für € 19,90 oder € 19,98 statt für € 20,00 anzubieten, ist für die Einzelhändler längst schon zum Standard geworden. In einer breiten Analyse in den USA stellte man fest, dass von 3326 betrachteten Preisen unter $ 1,00 die Mehrheit von 1125 Preisen auf eine 9 endeten aber nur 115 auf eine 0.[3] Ebenso wurde in einer Untersuchung des Instituts für angewandte Verbrauchsforschung festgestellt, dass die überwältigende Mehrheit von ca. 72% der untersuchten Preise in Deutschland im Bereich Lebensmittel, Genussmittel und Drogerieartikel auf eine 8 oder eine 9 enden aber nur ca. 6,5 % der Preise auf eine 0.[4] Auch Seyffert stellte 1960 fest, dass von 537 untersuchten Preisen 371 auf eine 8 oder 9 enden, wobei dieses bis zu einer Preisschwelle von ca. DM 100, heute häufig € 50, zu beobachten ist, danach fallen meistens die Cent-Beträge weg, was jedoch nicht die Anzahl der auf 8 oder 9 endenden Preise verringert. Hier sind es dann € 69 statt € 70, € 399 statt € 400 oder € 1178 statt € 1200.[5] Weiter kann festgehalten werden, dass in den USA die Preise bis $ 5 in der Regel auf eine 9 enden und Preise über $ 5 in der Regel auf eine 5, wobei hier meistens der Preis dann auf 95 Cent endet.[6]

(8) Diskussion

Das Untersuchungsgebiet wurde von den Forschern in den vergangenen einhundert Jahren lediglich sondiert. Fundierte und ausführliche Forschungsarbeit in einer breiten Palette an Warengruppen und Brangen ist weiterhin erforderlich.

Wie gezeigt wurde, gibt es zum Thema Preisschwelleneffekt die eine oder andere gute Forschungsarbeit um die unterschiedlichen Effekte von geraden und gebrochenen Preisen zu beschreiben. Jedoch ist die Forschung und die dazu gehörenden Experimente, gemäß den von mir zusammengetragenen Artikeln, thematisch so weit zerstreut, dass es nicht möglich ist, zu sagen, dass dieses Thema abschließend behandelt sei. Ganz im Gegenteil. Es ist noch eine Menge Forschungsarbeit notwendig um abschließende Ergebnisse erhalten zu können.

„As extensive as interest in the issue has been, surprisingly little rigorous research has been published which would offer pricemakers reliable guides for solving their dilemma. “[7]

Stiving und Winer haben 1997 ein Konsumentennutzenmodell auf Basis eines multinomialen Logit Modells entwickelt, dass gebrochene Preise, speziell 9er Preise, bei den Produktpreisen berücksichtigt. Mit diesem Modell sind die Autoren in der Lage, das Kaufverhalten für einen Artikel besser vorherzusagen als es mit anderen Modellen ohne die Berücksichtigung der gebrochenen Preise möglich gewesen ist. Des Weiteren lässt sich mit diesem Modell bestimmen, welche Preisendung, beziehungsweise welcher Preis, am besten zu wählen ist um einen maximalen Absatz zu generieren, basierend auf der Preisendung des Konkurrenzproduktes. Dieses neue Modell wurde anhand von Scannerkassen Daten über 12.385 Käufe von Joghurt und Thunfisch in drei verschiedenen Geschäften über die Zeit von 123 Wochen getestet. Die Autoren stellen dabei fest, dass dieses neue Modell erwartungsgemäß die Reaktionen auf die Preissetzungspolitik des Einzelhandels besser repräsentiert als vorherige Modelle. Mit diesem neuen Modell, können die Präferenzanteile eines Produktes auf Basis seiner Preisendung und des Konkurrenzpreises besser vorhergesagt werden und Ableitungen zur bestmöglichen Preisstrategie erzielt werden.[8]

Um diese Arbeit abzuschließen, möchte ich nun auf die eingangs gestellten Fragen erneut eingehen.

Hat ein gebrochener Preis anders als ein gerader Preis einen signifikanten Mehrabsatz zur Folge, was bedeutet, dass die Preisabsatzfunktion im Übergang von gebrochenen zu geraden Preisen nicht linear verläuft?

Die Antwort darauf kann nun etwas eindeutiger beantwortet werden. Ein gebrochener Preis kann in vielen Fällen zu einem überproportionalen Mehrabsatz führen. Gebrochene Preise haben tatsächlich durchaus ihre Daseinsberechtigung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht jeder gebrochene Preis automatisch zu einem Absatzschub führt. Einerseits ist zu beachten, dass das Potential der Unterschätzung hoch sein muss und zum anderen ist es wichtig zu beachten für welche Produkte man gebrochene Preise ansetzen kann und für welche Produkte nicht. Weiterhin liegen nur Daten aus Experimenten für Lebensmittel, Genussmittel und Drogerieartikel vor, vereinzelt Daten aus dem Bereich der Büroartikel, welches die externe Validität der Ergebnisse anzweifeln lässt. Für alle anderen Artikel, wie zum Beispiel aus der Unterhaltungsbrange, aus dem Automotive Bereich, für Online Dienste, Online Medien und Online Shops sowie für Dienstleistungen aller Art liegen keine Daten über Experimente und Studien zu diesem Thema vor. Festzuhalten bleibt, dass auch in allen diesen Bereichen an einer Preisauszeichnungspraxis mit gebrochenen Preisen festgehalten wird. Auch hier scheinen die Einzelhändler entweder an die Existenz von Preisschwellen zu glauben, oder aber, dass eine große Unsicherheit zur Existenz von Preisschwellen unter den Händlern vorhanden ist. Es gibt aber auch Anwendungsgebiete, in denen ein gebrochener Preis zu sinkenden Absätzen führen kann, bzw. Situationen in denen ein gerader Preis einen höheren Absatz zur
Folge hätte. Hierbei wird der Preis als Indikator für die Produktqualität betrachtet, wenn der Konsument ein neuartiges Produkt kaufen möchte und keine anderen Informationen über die Qualität der Ware hat.

Unter welchen Umständen führt ein gebrochener Preis zu höheren Absätzen und welche Effekte sind für einen
Peak in der Preisreaktionsfunktion beim Wechsel von einem auf eine 9 endenden Preis auf einen glatten Preis verantwortlich?

Es ist auffällig, dass gerade frühe Studien zu diesem Thema oftmals keine oder sich wiedersprechende Ergebnisse haben.[9] Man kann sich denken, dass es in den ersten Studien zu diesem Thema ohne fundierte theoretische Überlegungen nur darum ging, den Absatzeffekt zu testen,
also ob ein solcher Preisschwelleneffekt besteht. Ohne zuvor zu wissen, wie ein solcher Effekt wirkt. In neueren Studien konnte gezeigt werden, dass sich die Konsumenten einfach inhomogen verhalten und es daher nicht möglich ist, die Wirkung gebrochener und runder Preise aggregiert über alle Konsumenten zu
betrachten. Weiterhin ist die Wirkung gebrochener und gerader Preise abhängig von der Kaufsituation und von der Kaufintention. Es gibt darüber hinaus zwei verschiedene Erklärungsansätze zum Preisschwelleneffekt, welche sich gegenseitig aber nicht ausschließen müssen. Die Wahrnehmungseffekte basieren auf der subjektiven Verarbeitung der Preise durch die Konsumenten, während der left-digit effect beschreibt, dass die Konsumenten den Preis mit einer von links nach rechts abnehmenden Intensität betrachten. Der Preis wird also vereinfacht aufgenommen. Wenn man nun beide
Effekte gemeinsam betrachtet, kann angenommen werden, dass der Konsument einerseits die linken Preisziffern, also die Vorkommastellen oder den vollen Euro Betrag, stärker betrachtet und diese Ziffern dann zusätzlich in einer logarithmischen Verzerrung auf einer diskreten Skala verarbeitet und bewertet.

Abschließend bleibt hierzu also festzuhalten, dass beide Effekte nach aktuellem Kenntnisstand einen Einfluss auf die Preiswahrnehmung des Konsumenten haben und somit Bestandteil des Preisschwelleneffektes sind, oder aber gemeinsam auf den Preisschwelleneffekt wirken. Ein 9er Preis oder ein doppel-9 Preis hat in der richtigen Situation und in der korrekten Warengruppe einen Sprung oder einen Peak in der Preisreaktionsfunktion des Konsumenten zur Folge und führt somit zu einem überproportionalen Absatzgewinn.

(9) Ableitung und Implikationen

Sofern sich ein Händler für die Verwendung von gebrochenen Preisen entscheidet, so tut er gut daran,
sich für die Verwendung von 9er Preisen oder gar doppel-9 Preisen zu entscheiden, da hier das Absatzpotential am größten ist.

Für die Praxis bleibt festzuhalten, dass sich der Absatz durch die Verwendung eines auf eine 9
endenden Preises oder ferner eines doppel-9 Preises in den untersuchten Warengruppen, Lebensmittel, Genussmittel und Drogerieartikel, überproportional steigern lässt. Dieses lässt sich vor allem dadurch so genau sagen, als dass die Konsumenten den Preis vereinfachen und bei der Wahl der Ware am Regal nur
die Vorkommastellen der betrachteten Preise miteinander vergleichen. Bei Erinnerungstests wurden gebrochene Preise, speziell 9er Preise überproportional oft durch die Probanden unterschätzt. [10]
Dieser Effekt wird dadurch noch verstärkt, dass sich durch den einen Cent niedrigeren Preis die Vorkommastellen des Preises entsprechend nach unten ändern. Eine Preisänderung eines geraden Preises von € 5,50 auf € 5,49 macht in der Informationsaufnahme und Verarbeitung beim Konsumenten keinen
Unterschied, da die Vorkommastelle des Preises sich nicht ändert. Hierbei kann der Handel den Preis durchaus auf dem geraden Preis, € 5,50, belassen und den zusätzlichen Cent pro Stück verkaufter Ware mitnehmen. Anders ist es jedoch bei der Preisreduzierung eines Artikels von € 2,00 auf € 1,99. Durch die Änderung der Vorkommastelle von € 2 auf € 1 wird der Preis subjektiv sehr viel günstiger als es tatsächlich der Fall ist. In diesem Fall kann ein überproportionaler absatzgewinn erzielt werden. Die Nutzung von gebrochenen Preisen anders als 9er Preise oder doppel-9 Preisen wird nicht empfohlen, da hier keine zusätzliche Absatzsteigerung erzielt werden kann. Die Praktiker sollten daher gebrochene Preise nur dann verwenden, wenn das Potential der Unterschätzung durch den Konsumenten sehr hoch ist. Daher empfehle ich nur gebrochene Preise, in der Regel auf eine doppel-9 endenden Preise, wenn sich durch deren Anwendung die Vorkommastelle, also der volle Euro Betrag, ändert. In allen anderen Fällen wird zum höheren geraden Preis geraten.

Wie in der Diskussion bereits beschrieben, gibt es für die Forschung noch sehr viel zu tun. Es müssen breite Langzeit-Studien über die Grenzen der Warengruppen und Brangen hinaus geführt werden. Weiterhin sind die Wirkungen von moderierenden Variablen praktisch unbekannt. In nur einer der behandelten Studien wurde versucht, die Wirkung von moderierenden Variablen, hier die Kaufintention, zu untersuchen. Man kann sich aber leicht vorstellen, dass es neben dieser noch eine ganze Reihe weiterer moderierender Einflussvariablen gibt. Zum Beispiel lassen sich hier Preislevel des Geschäftes, Qualität der Geschäftsausstattung, Einkommen des Kunden, Werbeintensität des Einzelhändlers und viele weitere moderierender Variablen untersuchen.

Eine gemeinsame Betrachtungen des Preiswahrnehmungseffektes und des left-digit effects ist vorstellbar. Die Wirkung des Qualitätswahrnehmungseffektes konnte bisher nicht bestätigt oder wiederlegt werden. Hier ist ebenfalls weitere Forschung notwendig. Gezeigt wurde, dass gerade 8er Preise, 9er Preise und doppel-9 Preise den größten Effekt auf den Absatz haben. Es lässt sich also bestimmen, dass lediglich die just-below Preise, beziehungsweise diejenigen Preise, welche wirklich knapp unter einem glatten Betrag liegen, einen positiven Absatzeffekt über eine lineare Preisabsatzfunktion hinaus haben.

Es hat sich in dieser Arbeit gezeigt, dass es sich um ein wirklich spannendes Forschungsgebiet handelt, da hier noch so viele Fragen ungeklärt sind und das Thema lediglich sondiert werden konnte. Obwohl seit fast 100 Jahren über die Bedeutung der Preisschwelleneffekte diskutiert wird, gibt es erstaunlich wenig handfeste Informationen darüber. Der Einzelhandel nutzt augenscheinlich die verschiedensten Formen gebrochener Preise weiterhin ohne genau zu wissen, ob diese Praxis zum gewünschten Ergebnis führt. Ich habe mit dieser Diplomarbeit einen vollständigen Überblick über die nach meiner Meinung relevanten Arbeiten und Theorien zu diesem Thema der vergangenen fast 100 Jahre gegeben, damit an dieser Stelle, ohne viel Aufwand, weitere Forschungsarbeit angeknüpft werden kann.


[1] (Georgoff, 1972)

[2] Vgl. (Stiving & Winer, 1997)

[3] Vgl. (Bader & Weinland, 1932); (Ginzberg, 1936); (Gabor & Granger, 1964); (Georgoff, 1972)

[4] Vgl. (Müller, Brücken, & Heuer, 1982); (Schindler & Wiman, 1989); (Bizer & Schindler, 2005)

[5] Vgl. (Theisen, 1960)

[6] Vgl. (Stiving & Winer, 1997)

[7] (Georgoff, 1972)

[8] Vgl. (Stiving & Winer, 1997)

[9] Vgl. (Bader & Weinland, 1932); (Ginzberg, 1936); (Gabor & Granger, 1964); (Georgoff, 1972)

[10] Vgl. (Müller, Brücken, & Heuer, 1982); (Schindler & Wiman, 1989); (Bizer & Schindler, 2005)

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